Apitherapie im Krankenhaus

Dr. Thuile, Apitherapie
Dr. Thuile, Apitherapie

In Südtirol, genauer gesagt in Meran, gibt es ein einzigartiges Modellprojekt: eine Klinik mit einer komplementärmedizinischen Abteilung. Hier werden Kranke zum Beispiel mit Akupunktur, Pflanzenheilkunde oder Apitherapie behandelt. Ruth Auschra führte ein Interview mit Dr. med. Christian Thuile, dem ärztlichen Leiter der Abteilung.

Herr Dr. Thuile, Sie behandeln tatsächlich auch schwer kranke Menschen mit Bienenprodukten?

Thuile: Ja, die Apitherapie ist ein Baustein in unserer Klinik. Hauptsächlich setzen wir sie bei onkologischen Patienten ein, bei Krebskranken also. Meistens geht es um den Appetit und um allgemeine Schwäche. In diesem Bereich ist die Apitherapie ein fixer Bestandteil unseres Programms für Patienten, die nicht Allergiker sind. Wir sind da sehr vorsichtig und müssen uns als öffentliches Krankenhaus auch an gewisse Regeln halten.

Sie setzen die Bienenprodukte therapiebegleitend ein. Mit welcher Zielsetzung?

Thuile: Es geht einerseits darum, gewisse Nebenwirkungen zu verhindern oder zu lindern. Andererseits arbeiten wir sehr gezielt daran, Effekte zu erzielen, um die Lebensqualität zu verbessern. Konkret bemühen wir uns, Appetit und Appetitlosigkeit zu verbessern. Gewichtsverlust ist für uns ein großes Thema und dann natürlich auch bei Strahlentherapie und Mucositis, der Entzündung der Mundschleimhaut. In diesen beiden Bereichen machen wir sehr gute Erfahrungen mit dem Einsatz von Bienenprodukten.

Welche Bienenprodukte setzen Sie denn ein? Gelee royal?

Thuile: Gelee royal eher nicht, das ist auch eine Kostenfrage. Das echte Gelee royal ist teuer, deshalb wird es oft in sehr kleinen Dosierungen empfohlen. Sehr niedrig dosiert ist es meiner Ansicht nach aber nicht gut wirksam und hoch dosiert ist es wie gesagt sehr teuer. In erster Linie verwenden wir die Blütenpollen. Sie bewirken viel Gutes, weil sie sehr reich an essentiellen Aminosäuren sind. Ganz gezielt setzen wir auch Honig ein, um Entzündungen der Mundschleimhaut vorzubeugen, die häufig nach Bestrahlungen im Halsbereich auftritt. Da wirkt Honig vorbeugend und auch als Behandlung.

Haben Sie dazu Studien durchgeführt?

Thuile: Wir dürfen in der Klinik nur Therapien anwenden, deren Nutzen in Studien belegt wurde. Es gibt sehr viele Arbeiten, die den Nutzen von Honig bei Mucositis durch Strahlentherapie zeigen. Deshalb müssen wir das Rad nicht neu erfinden, indem wir eigene randomisierte Doppelblindstudien durchführen. Wir dokumentieren unsere Patienten natürlich sehr sorgfältig, sodass wir die Verläufe darlegen können. Im übrigen arbeiten wir sehr intensiv an einem Konzept zur Verbesserung der unerwünschten Gewichtsabnahme bei Krebspatienten. Da könnte vielleicht demnächst eine Studie veröffentlicht werden.

Was halten Sie davon, geschwächten Patienten einfach Honig zu essen zu geben?

Thuile: Als Therapie halte ich davon eigentlich wenig. Sicher, wenn es jemandem schmeckt, dann soll er Honig essen und es wird ihm gut tun. Aber es sollte keine Verpflichtung sein, Honig zu sich zu nehmen, wenn man ihn gar nicht mag. Da lassen sich andere Produkte finden.

Wenn jemand geschwächt ist oder sehr viel Gewicht verloren hat und sich gut ernähren soll, dann geben wir sehr häufig Pollen. Sie enthalten viel Eiweiß und helfen deshalb besonders bei einer Eiweiß-Mangelernährung, wenn die Patienten – was oft der Fall ist – keinen Appetit auf Fleisch und Fisch haben. Die Pollen werden gerne gegessen. Das kann ich so sagen, weil wir pro Jahr über 1.000 krebskranke Patienten sehr erfolgreich mit Pollen behandeln. Insgesamt haben wir jährlich 3-4.000 onkologische Patienten. Solche Erfahrungen haben schon eine große Aussagekraft.

Allerdings, mit so großen Patientenzahlen hatte ich nicht gerechnet. Wie genau werden die Pollen verabreicht?

Thuile: Sie werden in einer Lösung gegeben. Also nie in der üblichen Form, trocken und hart, das führt oft zu Verdauungsproblemen. Damit muss man gerade bei onkologischen Patienten sehr vorsichtig sein. Aber mit Joghurt, Saft oder Wasser lassen sich die Pollen gut einnehmen. Ein Patient bei uns hat sie auch immer gerne mit einem Glas Rotwein genommen. Meistens wird Joghurt benutzt.

Gibt es eine Standarddosis?

Thuile: Eigentlich nicht, die nötige Menge ist individuell unterschiedlich. Zur Prophylaxe würde ich drei Esslöffel pro Tag empfehlen, wobei man anfangs mit nur zwei Teelöffeln beginnt, dann drei Teelöffel und so weiter. In drei Wochen werden die drei Esslöffel erreicht. Aber wer Gewicht verloren hat und wieder zunehmen soll, kann deutlich mehr Pollen einnehmen, bis zu acht Esslöffel. Die Einnahme sollte nicht zusammen mit dem normalen Essen erfolgen, dann wäre die Aufnahme zu gering. Am besten ist die Polleneinnahme vor dem Essen auf nüchternen Magen. Aber wer davon Blähungen bekommt, kann sie auch nach dem Essen einnehmen.

Wie schätzen Sie das Risiko durch Bienenprodukte ein?

Thuile: Bei schweren Allergikern muss man mit den Pollen sehr vorsichtig sein. Die Einnahme muss natürlich auch bei ihnen einschleichend begonnen werden. Man kann mit einem Teelöffel Pollen pro Tag beginnen und die Dosis dann langsam steigern. Dann sind keine Komplikationen zu erwarten. Allerdings gebe ich den Allergikern nicht einfach einen Plan mit nach Hause, sondern wir vereinbaren, dass die Pollen anfangs in der Klinik eingenommen werden. Erst wenn wir die Sicherheit haben, dass der Patient sie verträgt, kann er sie auch zu Hause nehmen.

Empfehlen Sie bestimmte Pollen oder Honige? Aus Bio-Imkereien?

Dr. Thuile
Dr. Thuile

Thuile: Ja, obwohl uns sehr bewusst ist, dass sich die Bienen nicht an solche Grenzen halten. Viele unserer Patienten kennen Imker, haben Familienangehörige, die Imker sind oder imkern selbst. Sie nehmen gerne ihre eigenen Produkte und sind froh, wenn man ihnen ein bisschen was dazu erklärt. Wir verwenden zum Beispiel auch viel Propolis und kaum jemand weiß, dass man das auch alkoholfrei herstellen kann. Da geben wir gerne Hinweise. Auch bei Patienten mit nicht gut heilenden Wunden geben wir Tipps, wie man vorgehen kann. Aber wir übertreiben nicht, wir kennen auch die Grenzen der Apitherapie.

Sie würden also nicht empfehlen, dass man mit einer Wunde am Bein in den Laden geht, Honig kauft und auf die Wunde aufträgt.

Thuile: Ganz genau, da haben Sie mich richtig verstanden. Eine Wunde muss medizinisch betreut und hygienisch korrekt behandelt werden.

Ich würde gerne noch etwas zu unserer Situation hier in Südtirol sagen. Wir sind ein öffentliches Krankenhaus mit dem Ziel, die naturheilkundlichen Therapien zu erforschen und in den medizinischen Alltag zu integrieren, wo es nützlich sein könnte. Eine unserer Hauptaufgaben ist die Betreuung onkologischer Patienten mit den verschiedensten Krebsarten. Sie machen 60-70 Prozent unserer Patienten aus. Daneben gibt es noch viele Schmerzpatienten. Mit der Apitherapie beschäftige ich mich seit vielen Jahren. Sie ist für mich ein wesentlicher Anteil der naturheilkundlichen Arbeit. Ich kann damit nicht alle Probleme beheben, aber Bienenprodukte sind für mich ein wichtiger Baustein. Es gibt viele Baustellen, wo Bienenprodukte helfen können. Da setze ich sie gerne ein. Bei anderen ist die Apitherapie unterlegen, da sollte man dann nicht fanatisch sein, sondern nach besseren Lösungen suchen.

Das klingt sehr sympathisch, danke für das Gespräch.

Homepage Dr. Thuile

2 Kommentare

  1. Hallo und danke für diese sehr interessante Info. Ich suche schon länger nach ähnliche Informationen, weil ich darüber selber noch einen Bericht schreiben möchte. Vielen Dank. Meiner Meinung nach sollte man allerdings anstatt Blütenpollen lieber Bienenbrot verwenden, weil der Menschliche Körper das besser verarbeiten kann.

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