Ist Bienenstockluft gefährlich?

Bienenstockluft - gefährliche Apitherapie?
Bild Bigstock, Foto: darios, Bienenstockluft - Gefahr für die Gesundheit?

Einer Heilpraktikerin aus Jena ist die Anwendung von Bienenstockluft unter Androhung von Strafe verboten worden, berichtet die WELT am 21.11.15 ([1]). Warum das? „Für Thüringer Behörden und Ärztevertreter (…) überwiegen die Gefahren einer solchen Therapie. Die Luft aus dem Bienenstock kann Stoffe enthalten, die schwere Schäden bei den Patienten hervorrufen können.“ Oh, das ist mir neu. Um welche Stoffe und welche Schäden geht es? Das beschreibt die Zeitung leider nicht.

Laut WELT begründet der Bescheid die Maßnahme folgendermaßen: „Bei der Inhalation von Bienenstockluft durch den Patienten dringen allergenauslösende Partikel direkt und tief in den Körper ein. Hierbei kann es zu schwerwiegenden Reaktionen und damit zu allergischen Komplikationen kommen“. Diese Komplikationen könnten nur von einem Arzt, nicht aber von einem Heilpraktiker behandelt werden.

„Allergenauslösende Partikel“ – woran denkt die Behörde da nur? Vermutlich sind allergieauslösende Partikel gemeint. Aber welche?

Diese Argumentation hat es in sich. Richtig scheint sie mir nicht zu sein. Aber der Reihe nach.

Kann Bienenstockluft eine Anaphylaxie auslösen?

Wenn es möglich wäre, durch das Einatmen von Bienenstockluft einen anaphylaktischen Schock zu erleiden – ja, dann wäre es wirklich vernünftig, so eine Therapie mit ganz besonderer Vorsicht zu betrachten. Wie häufig sind denn Schocks durch Bienenstockluft? Ich wühle mich durch die medizinischen Datenbanken, aber Bienenstockluft als Auslöser von Anaphylaxien – dazu finde ich nichts. Immerhin weiß ich jetzt, welche Substanzen typischerweise anaphylaktische Schockreaktionen auslösen. Meistens wird von Lebensmitteln berichtet, von Milch, Eiern, Erdnüssen oder Früchten und Fischen. Was für ein Glück, dass die Behörden noch nicht auf die Idee gekommen sind, Obst, Milch und Fisch zu verbieten!

Auch Insektengifte, also Bienengift zum Beispiel, kann einen anaphylaktischen Schock auslösen. Aber denken die Thüringer Ärzte und Behörden etwa, dass in der Bienenstockluft Bienengift enthalten ist? Kaum vorstellbar. Bienengift befindet sich bekanntlich in der Giftblase am Hinterleib der Bienen, nicht in der Luft.

Die Luft aus dem Bienenstock riecht würzig, das liegt an dem Propolis, mit dem die Bienen ihren Bienenstock abdichten. Es gibt auch tatsächlich Menschen, die auf Propolis allergisch reagieren. Eine Übersichtsarbeit ([2]) sagt auch tatsächlich aus, dass weltweit bis zu 4% der Imker allergisch gegenüber Propolis sind. Sie bekommen aber keine lebensbedrohliche Atemnot, wenn sie vor dem Bienenstock stehen und dabei zwangsläufig Bienenstockluft einatmen. Sie reagieren mit Kontaktallergien der Haut an den Stellen, wo sie Propolislösung auftragen. Ein einziger anaphylaktischer Schock (weltweit!) wurde bisher beschrieben, nachdem Propolislösung direkt auf eine entzündete Nasenschleimhaut aufgetragen wurde.

Darf man daraus schließen, dass das Einatmen von Luft, in der auch Propolis in Nanopartikeln enthalten ist, gefährlich ist? Das klingt für mich, als würde man das Räuchern von Fischen verbieten, weil manche Menschen auf das Essen von Fisch mit Atemnot reagieren.

Schade, dass die WELT nicht mehr darüber schreibt, welche „schweren Schäden“ auf Grundlage welcher Inhaltsstoffe für die Behörden vorstellbar sind. Offenbar ist diese Information gar nicht so zentral für den Journalisten gewesen. Bienenluft klingt für ihn „niedlich und ein bisschen sonderbar“. Er hätte sicher Imker, Heilpraktiker, Ärzte und Wissenschaftler finden können, die ihm die Sache mit der Bienenstockluft erklären.

Was können und dürfen Heilpraktiker behandeln?

Die WELT schreibt, dass die durch Bienenstockluft möglichen Komplikationen nicht vom Heilpraktiker, sondern nur vom Arzt behandelt werden können. Das ist einerseits sicher richtig: im Notfall ruft ein Heilpraktiker vernünftigerweise den Notarzt und kümmert sich um die Basisversorgung, bis dieser kommt. Andererseits ist die Auswahl der Bienenstockluft für dieses Anaphylaxie-Präventionsprogramm sonderbar. Anaphylaktische Schocks durch Medikamente sind bekannt. Auf Penicillin zum Beispiel oder auf Röntgenkontrastmittel. Auch ein Radiologe oder Orthopäde, bei dem ein Patient eine Anaphylaxie erleidet, ruft vermutlich zuerst mal den Notarzt. Soll deshalb der Einsatz von Kontrastmitteln oder Medikamenten verboten werden?

Selbst wenn Bienenstockluft Anaphylaxien auslösen würde (was ja so nicht stimmt), hätten drittens auch Heilpraktiker die Möglichkeit, diese richtig zu behandeln. Die eigentlich verschreibungspflichten Arzneimittel Dexamethason und Epinephrin können nämlich auch Heilpraktiker für die Notfallbehandlung im Rahmen der Neuraltherapie in der Apotheke beziehen ([3]).

Was soll dieses Verbot?

Nur mal angenommen, es gäbe tatsächlich ein winziges Risiko für die Bienenstockluft. Wäre es dann angemessen, diese Behandlung zu verbieten? Es wird bei uns schließlich nicht jede Therapie verboten, die eine Gefahr für Leib und Leben des Patienten beinhaltet. Auch dazu kann man in einer anderen Ausgabe der WELT ([4]) etwas nachlesen: Trotz aller Forschung sterben jährlich bis zu 60.000 Menschen an Arzneimittelnebenwirkungen – mehr als zwölfmal soviel wie die Zahl der Todesopfer im Straßenverkehr.

Jeder weiß, dass wir meistens von dreckiger Luft mit Dieselabgasen oder PAK aus Asphaltdämpfen krank werden. Das ist erlaubt. Wenn aber jemand die Luft aus einem sauberen Bienenstock mit einem Schlauch und einem Filter versieht, damit nicht versehentlich eine Biene eingeatmet wird, dann ist das gefährlich? Die Behörden scheinen das so zu sehen. Ausgerechnet Bienenstockluft, das Einatmen würziger, sauberer Luft, wird in Deutschland verboten!

Vielleicht sollten die Behörden mehr über Apitherapie lernen, vielleicht müssen die Apitherapeuten ihre Erfahrungen auch durch bessere Studien dokumentieren. Im Ausland, wo die Apitherapie einen viel höheren Stellenwert hat als bei uns, da wird man sich über dieses deutsche Verbot totlachen.

(Ruth Auschra)

 

[1] http://www.welt.de/gesundheit/article149108017/Behoerden-verbieten-umstrittene-Bienenluft-Therapie.html (Abruf 22.11.15)

[2] Basista-Soltys K: Allergy to Propolis in Beekeepers-A Literature Review. Occup Med Health Aff 2013, 1:1 http://dx.doi.org/10.4172/2329-6879.1000105

[3] http://www.udh-hessen.de/content/e361/e9891/Notfallmedikamente_ger.pdf (Abruf 22.11.15)

[4] http://www.welt.de/gesundheit/article138568439/So-gefaehrlich-sind-die-beliebtesten-Medikamente.html (Abruf 22.11.15)

3 Kommentare

  1. Hallo Herr Müller,
    nein, die Studie kannte ich noch nicht. Ich habe sie bisher auch nur „quer“ lesen können, aber die Standpunkte sind auf jeden Fall hoch interessant.
    Vielleicht findet sich hier ja jemand unter den Lesern, der eine Übersetzung machen möchte?
    Herzlichen Dank und viele Grüße, Ruth Auschra

  2. Bienenstockluft enthält auf jeden Fall Pollen und Pollen ist einer der am häufigsten allergieauslösenden Stoffe. Gerade bei Asthmapatienten ist eine Pollenallergie häufig. Ein allergischer Schock ist ein absoluter Notfall, da muss schnell gehandelt werden. Haben Heilpraktiker, die Apitherapie anbieten die Ausrüstung da, um Epinephrin rasch zu verabreichen? Wissen die, wie das geht? Ich bin Imkerin und Ärztin und sehe es nicht als Luxus an, dass ich in einem 6jährigen Studium ausgebildet wurde. Wieviel Ausbildung hat der durchschnittliche Heilpraktiker? Oft nur einige Wochen.

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