Der Berliner Schwarmfänger

Schwarmfänger Berlin
Bild: danielwetzel-photography

Alfred Krajewski fängt Bienenschwärme ein. Und zwar nicht, weil das so ein gut bezahlter Job wäre. Er arbeitet nämlich ehrenamtlich, oft wird ihm noch nicht einmal die Anfahrt bezahlt. Er macht diese Arbeit, weil er die Bienen liebt, wie er im Gespräch mit Ruth Auschra erzählt.

Herr Krajewski, Sie sind Schwarmfänger...

Krajewski: Genau. Ab Mai, Juni, ist Schwarmzeit. Es gibt richtige Schwarmtage, wo ich morgens schon denke, dass viel los sein könnte. Manchmal sind das dann fünf, sechs Anrufe am Tag…

 

Moment, woran erkennen Sie Schwarmtage?

Krajewski: Ein typischer Schwarmtag ist so ein schwül-warmer Tag, wo die Temperaturen auf 25-28°C steigen. Meistens ist es vorher ein paar Tage etwas kühler gewesen. Vielleicht hat es auch geregnet und der Imker hat seine Bienen nicht stören wollen. Deshalb hat er nicht gesehen, dass Schwarmzellen da waren.

 

Schwarmzellen?

Krajewski: Weiselzellen, also Zellen, aus denen sich neue junge Königinnen bilden. Diese Zellen entfernen die Imker, wenn sie sie entdecken. Schwarmzellen brechen, so wird das auch genannt. Das Ziel dabei ist, das Schwärmen zu verhindern. Aber ehrlich gesagt ist es schwer, die Schwarmstimmung zu unterbrechen. Auch wenn man die Zellen mit den jungen Königinnen rausnimmt – es ist halt deren Natur.

 

Und an solchen Schwarmtagen werden Sie manchmal auch mehrmals gerufen?

Krajewski: Ja, genau. Nicht immer sind es Bienen, vor denen die Leute Angst haben. Manchmal rufen sie mich auch wegen Wildbienen. Die stehen aber unter Naturschutz und ich darf sie gar nicht einfangen. Außerdem sind Wildbienen harmlos, das sage ich den Leuten dann auch. Wespen verstecken sich gerne mal in Jalousiekästen oder so an der Hauswand. Und das macht den Menschen dann Angst, vor allem, wenn Kinder da sind.

 

Was machen Sie eigentlich mit den Bienen, die Sie eingefangen haben?

Krajewski: Ich nehme sie mit nach Hause und stecke sie in Kellerhaft (lacht), ja, sie kommen wirklich in den dunklen kühlen Keller. Weil ihnen da kalt ist, hängen sie sich zu einer Traube zusammen und verdauen. Sie haben aus dem alten Stock ja nichts mitnehmen können, deshalb kann ich auch sicher sein, dass sie keine Faulbrut oder so anschleppen. Bienen sind sauber. Deshalb kann ich sie nach der Kellerhaft einfach in einen sauberen Kasten mit Mittelwänden setzen.

 

Ist das Schwarmfangen nicht ein merkwürdiges Hobby?

Krajewski: Die Schwärme gehören zum Imkern dazu. Nein, das ist total interessant. Es ist nicht bloß irgendein Hobby, wenn man sich mit den Bienen beschäftigt. Es geht an das Innerste, wenn Sie verstehen, was ich meine.

 

Nicht wirklich…

Krajewski: Das Imkern hat mich verändert, hat meine Seele verändert. Man erkennt, dass es bei den Bienen nicht um das einzelne Tier geht, sondern um das ganze Volk. Darum heißt es ja auch ‚der Bien’. Alle Bienen zusammen sind ein Lebewesen, alle sind gleich wichtig, die Arbeitsbienen, die Drohnen und die Königin. Das habe ich lange beobachtet und dabei auch die Langfristigkeit des Lebens gesehen. Eine einzelne Biene würde zum Beispiel den Winter nicht überstehen. Aber weil alle sich in der Kälte zu einer Traube zusammenhängen, überleben sie. Auch im tiefsten Winter kriegen die zusammen eine Temperatur von 20°C hin. Das ist doch irre! Die Bienen außen zittern und erzeugen dadurch Wärme für alle. Können Sie sich vorstellen, was das für ein Gefühl ist, wenn man im Frühjahr den Bienenkasten aufmacht und das Volk lebt? Das ist super!

 

Sie mögen Ihre Bienen richtig, oder?

Krajewski: Ja, sehr. Wenn da zum Beispiel eine Königin ist, die ich selbst vor drei Jahren gekennzeichnet habe, dann weiß ich ja, wie alt die ist. Wenn ich die nach einem richtig kalten Winter zum ersten Mal wieder lebendig sehe, da geht mir das Herz auf! Wenn die Bienen im Frühjahr wieder rausfliegen, das ist das Größte!

 

Ok, vielleicht noch ein paar Fragen zum Schwärmen…

Krajewski: Also im Normalfall schwärmt die alte Königin. Sie kann ja normalerweise nicht fliegen, sondern wird gefüttert und legt Eier – auch nicht so das königliche Leben, darum finde ich eigentlich den englischen Namen ‚Mutter’ besser. Jedenfalls wird die Königin oder Weisel sozusagen auf Diät gesetzt, wenn die neue junge Königin schlüpft. Dadurch kann sie dann fliegen. Ihre Kundschafter schwärmen also aus und suchen einen guten Standort, die Königin fliegt hinterher. Zum Beispiel finden die Kunderschafter-Bienen einen alten Kirschbaum, wo sie erstmal eine Traube bilden. Das sehen die Anwohner und rufen mich an. Ich habe zum Glück immer alles dabei, also ich brauche nicht viel. Ich hole die Schwärme meistens einfach in kurzer Hose und Basecap runter, was die meisten Anwohner dann doch wundert. Die sitzen dann oft schon seit Stunden auf der Gartenbank und haben die Fotoapparate gezückt, so nach dem Motto ‚is wat los hier, wa’. Und dann komme ich in kurzer Hose mit meiner 1,70m-Leiter und die fragen als erstes, ob ich mir nicht was anziehen möchte.

 

Das heißt, die Schwärme sind ungefährlich?

Krajewski: Ja, die sind friedlich. Die haben ja nichts zu verteidigen, also sind sie auch nicht aggressiv. Wobei ich nicht sagen will, dass die Anwohner selbst versuchen sollen, die Bienen zu vertreiben, da muss man sich schon auskennen. Ich habe immer eine Blumenspritze dabei, mit der ich Wasser auf die Bienentraube sprühe. Davon werden sie schwer und wenn ich dann zum Beispiel gegen den Ast schlage, an dem die Traube hängt, dann fällt das ganze Ding runter. Gegen die Traube darf man natürlich nicht schlagen, dann werden die Bienen schon sauer.

 

Und Sie gehen einfach in normalen Kleidern?

Krajewski: Meistens schon. Einmal hatte ich einen riesigen Bienenschwarm einzufangen, eher war das ein ganzes Volk. Da war es mir dann auch wohler mit der vollen Imkermontur. Man sollte nicht nach Rasierwasser oder Parfüm riechen, auch nicht nach Alkohol. Die Bienen haben einen sehr guten Geruchssinn! Und man sollte keine schwarzen Kleider tragen. Schwarz, das erinnert die Bienen zu sehr an ihren Feind, den Bären. Und Wollpullis oder offene Haare sind auch schlecht, weil sich die Bienen da verhaken könnten. Wenn man da drauf achtet, sind die Bienenschwärme kein Problem. Also ich habe die Bienen eingesprüht, schlage mit der Hand gegen den Ast und daraufhin fällt die Traube in die Kiste, die ich drunter gestellt habe. Sagen wir mal, 90 Prozent landen in der Kiste. Hauptsache, die Königin ist mit dabei! Dann kann man die Kiste schnell zumachen, offen bleibt nur ein kleines Loch. Durch das Loch fliegen Bienen wieder raus und das ist gut so. Die sterzeln dann nämlich, das bedeutet, sie zeigen den anderen Bienen, die noch am Baum sind, dass die Königin in der Kiste ist. Sie geben dabei einen Duftstoff ab, den man auch als Mensch mit etwas Übung riechen kann. Die anderen Bienen kommen dann allmählich nach und nach einer halben Stunde kann ich heimfahren, dann geht es in die Kellerhaft.

 

Haben Sie Angst vor der Höhe, wenn Sie Schwärme einfangen?

Krajewski: Ich bin früher viel geklettert. Ich weiß, was ich mir zutrauen kann. Eine Frau kenne ich, die sitzt jetzt im Rollstuhl, weil sie einen Schwarm einfangen wollte und gefallen ist. So viel ist kein Bienenvolk wert. Manchmal arbeite ich zusammen mit der Feuerwehr. Dann kommen die mit der Drehleiter und ich gehe hoch.

 

Sind Sie eigentlich schon von Bienen gestochen worden?

Krajewski: Die Frage meinen Sie jetzt nicht ernst, oder?

 

Na gut, wie oft sind Sie schon von Bienen gestochen worden?

Krajewski: Oft, ja. Einmal war ich unvorsichtig und hatte nichts an den Händen, keine Handschuhe. Dann hat mich erst eine gestochen. Nach so einem Stich geben die Bienen einen Duftstoff ab. So nach dem Motto ‚hier ist es leicht zu stechen’. Damals, als die Bienen sich gegen Bären zur Wehr setzen mussten, war das ja auch vernünftig. Der Bär hat eine unbehaarte Nase, nur da kann man ihn erwischen. Das konnten sich die Bienen mit dieser Duft-Methode mitteilen. Naja, mich haben sie an dem Tag ungefähr 50mal in die Hände gestochen. Mir hat das nicht so viel ausgemacht, ich habe etwas Kalzium getrunken und gut war es. Aber anderen Leuten könnte das schon viel ausmachen.

 

Sie haben keine Angst vor den Bienen.

Krajewski: Nein. Das darf man auch nicht, das merken die Tiere sofort. Die merken auch, wenn man keine Zeit hat und hektisch ist. Deshalb wird man als Imker ja so viel gelassener und ruhiger. Ich mache meinen Bienenkasten auf, die kommen raus, riechen an mir, spüren meinen Herzschlag und wissen, alles ist friedlich. Entspannt ist das, ganz relaxed.

 

Eine schöne Vorstellung, danke!

 

Foto: Alfred Krajewski bei der Arbeit (Quelle: www.danielwetzel-photography.com)

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