Wie Honigbienen die Orientierung verlieren

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Das Gedächtnis der Bienen

Die Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Dr. h.c. Randolf Menzel (Freie Universität Berlin) erforscht die Gehirnfunktionen von Honigbienen. Wie lernen die Insekten, wie merken sie sich, was sie gelernt haben? Ein Gedächtnis zu besitzen, ist auch für Insekten ausgesprochen wichtig: Es erlaubt, das erlernte Wissen mehrmals anzuwenden und weiterzugeben. Das Gedächtnis kann ein Neurobiologe „sehen“: Wenn Tiere und der Mensch lernen, verändern sich nämlich die Verschaltungen der Nervenzellen im Gehirn. Dieser Prozess bildet das Gedächtnis.

Zweifellos besitzen auch Honigbienen ein Gedächtnis. Wie sonst sollten sie in der Lage sein, Informationen mit Hilfe des Schwänzeltanzes an andere Bienen weiterzugeben? Sie informieren zum Beispiel über die Richtung und Entfernung zu ertragreichen Nahrungsquellen oder zu neuen Nestplätzen. Und Bienen können sich auch in fremdem Gelände durch das Erlernen von Landmarken zurechtfinden, also wieder zum Stock zurückfinden. Diese Fähigkeit ist überlebenswichtig für die Bienen. Wen sie nicht in den Stock zurückfinden, überleben nicht.

Genau die Fähigkeit, sich zu orientieren, geht den Bienen aber verloren, wenn sie Neonicotinoiden ausgesetzt sind. Das konnte die Menzel-Arbeitsgruppe schon im vergangenen Jahr mit Hilfe von Tests belegen. Neonicotinoide sind Insektizide, die als Kontakt- und Fraßgifte wirken – und zwar auf alle Insekten, die etwas von den behandelten Pflanzen aufnehmen. Das tun auch die Bienen, die Kontakt mit Pollen, Nektar oder „nur“ Staub vom Acker haben.

Die Wissenschaftler untersuchten zuerst, ob die Bienen eine Futterstelle fanden, die 400m vom Stock entfernt lag. Das funktionierte gut. Im nächsten Schritt fingen die Wissenschaftler Bienen ein und ließen sie in einiger Entfernung wieder frei. Die Bienen fanden trotzdem problemlos wieder nach Hause zurück. Wenn die Bienen an der Futterstelle aber Pestizide bekamen, verirrten sich mehr Tiere auf dem Heimweg. Weniger Bienen fanden zurück, viele Tiere machten Umwege. Und dummerweise tragen die, die nach Hause finden, pestizidhaltigen Staub in den Bienenstock. „Wenn Tiere chronisch sehr geringe Dosen aufnehmen und in den Stock transportieren, dann reichert sich das Pestizid im Tier (und auch im Stock) an und beeinträchtigt ihre Navigation. Außerdem benötigen sie sehr viel höhere Zuckerkonzentration um ihr Sammelverhalten aufrecht zu erhalten und zu tanzen“, so Menzel im Rahmen eines Vortrags auf dem Württembergischen Imkertag 2015 in Ulm am 26.04.2015.

Das neueste Forschungsprojekt von Menzels Arbeitsgruppe findet in Dresden statt. In einem Bienenstock werden die Muster der elektromagnetischen Felder aufgezeichnet. Diese Felder entstehen bei der Kommunikation der Bienen untereinander, beim Schwänzeltanz zum Beispiel. Wie und wodurch sie sich verändern, das ist das Forschungsthema. Wenn sich die Effekte auf die Kommunikation im Stock messen lassen, dann kann man auch feststellen, wie ein Gift auf den Gesundheitszustand des ganzen Bienenvolkes wirkt. Offenbar wirken Gifte nämlich auf die elektromagnetischen Felder ein, sodass die Tiere die Orientierung verlieren.

Bienen könnten mit dieser Untersuchungsmethode aber auch zu Verbündeten für eine weniger belastete natürliche Umwelt werden. Das Messsystem der Wissenschaftler ist in der Lage, den Gesundheitszustand eines ganzen Bienenvolks kontinuierlich und sehr empfindlich zu messen. Dadurch lassen sich Rückschlüsse auf Pestizidbelastungen der Umgebung ziehen. Sogar die Lage der Pestizidbelastung lässt sich aus den elektrostatischen Signalen des Schwänzeltanzes grob erschließen.

Quellen:

Greggers U, Koch G, Schmidt V, Dürr A, Floriou-Servou A, Piepenbrock D, Göpfert MC, Menzel R: Reception and learning of electric fields in bees. Proc. R. Soc. B 2013; 280 20130528; DOI: 10.1098/rspb.2013.0528. Published 27 March 2013

Fischer J, Müller T, Spatz A-K, Greggers U, Grünewald B, Menzel R (2014) Neonicotinoids Interfere with Specific Components of Navigation in Honeybees. PLoS ONE 9(3): e91364. doi:10.1371/journal.pone.0091364

Vortrag auf dem Württembergischen Imkertag 2015 in Ulm am 26.04.2015. http://www.neurobiologie.fu-berlin.de/menzel/Pub_AGmenzel/Betroffene%20und%20Verbündete_VortragUlm_26042015.pdf (Abruf 27.7.)

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