Prof. Teja Tscharntke ist Soziologe und Biologe, er lehrt Agrarökologie an der Universität Göttingen. Eines seiner Forschungsthemen ist die Bestäubung durch Honigbienen und Wildbienen.
Herr Tscharntke, Sie werden zitiert mit dem Satz, dass Wildbienen deutlich effektiver in ihrer Bestäubung seien als Honigbienen. Ist das wirklich so?
Tscharntke: Ja. Das liegt im wesentlichen daran, dass Honigbienen weniger als Wildbienen zwischen verschiedenen Pflanzenindividuen wechseln und damit weniger zur Kreuzbestäubung beitragen. Ich habe an einer großen Studie mitgearbeitet, die gezeigt hat, dass Blütenbesuch und Fruchtansatz bei Honigbienen nicht eng korreliert sind.
Das heißt, es kommen zwar Honigbienen auf die Blüten, aber die Bestäubung funktioniert nicht so gut?
Tscharntke: Der Blütenbesuch wilder Insekten – vornehmlich Wildbienen – hat jedenfalls mehr Erfolg in Hinblick auf den Fruchtansatz. Das ist das Ergebnis dieser Studie, in der wir die Relevanz wildlebender Bestäuber im Zusammenspiel mit Honigbienen in 41 landwirtschaftlichen Anbausystemen auf der ganzen Welt untersuchten. Es ging zum Beispiel um kalifornische Mandeln, südafrikanische Sonnenblumen, brasilianische Mangos, australische Macadamia-Nüsse, nordamerikanische Heidelbeeren, Kaffee aus Mittelamerika und Wassermelonen aus Israel. Bei uns zeigt sich das auch ganz praktisch, wenn man beispielsweise den Ertrag der Süßkirschen in Kassel-Witzenhausen betrachtet. Der Ertrag wird durch den Blütenbesuch der Wildbienen bestimmt, nicht durch den der Honigbienen. Und das, obwohl Honigbienen zwei Drittel der Blütenbesucher stellten.
Gibt es dafür noch weitere Ursachen?
Tscharntke: Es gibt mehrere Gründe. Wildbienen besuchen oft zeitlich und räumlich andere Blüten. Hummeln sind zum Beispiel bei kälteren Temperaturen unterwegs, andere Wildbienen eher bei Wind. Manche Wildbienen besuchen auch andere Bereiche der Bäume als die Honigbienen. Sind Wildbienen gleichzeitig vorhanden, dann können sie Honigbienen dazu verleiten, häufiger die Pflanzen zu wechseln, was in höherem Fruchtansatz endet.
Verstehe ich das richtig? Die Wildbienen vertreiben die Honigbienen von den Blüten, sodass die Honigbienen mehr Blüten anfliegen und unfreiwillig für mehr Obstertrag sorgen?
Tscharntke: So ist es. Sie stören offenbar die Honigbienen beim Sammeln, so dass sie häufiger die blühenden Pflanzen wechseln und damit die Wahrscheinlichkeit effektiver Kreuzbestäubung erhöhen.
Was bedeutet dieses Ergebnis für Sie? Ist das Thema ‚Bienensterben’ überbewertet?
Tscharntke: Nein, keinesfalls, aber es geht dabei nicht nur um die Honigbiene, die ja nur eine Bienenart darstellt. Wir haben bei uns mehr als 500 Bienenarten, und es ist immer gefährlich, bei einer wichtigen Dienstleistung wie der Bestäubung sich auf nur eine Art zu verlassen. Das Völkersterben bei den Honigbienen hat seine Ursache in Parasiten, vor allem der Varroa-Milbe, und dem Insektizideinsatz (insbeondere von Neonikotinoiden) in der Landwirtschaft, wie aktuelle Studien zeigen. Für den Rückgang der Wildbienen sind vor allem die Verluste von Lebensräumen und wichtiger Nahrungsressourcen wie den blütenreichen Wiesen und Brachstreifen zu nennen. Dramatische Verluste bei Bienen und ihren Bestäubungsleistungen wären fatal, werden doch 90% aller Pflanzenarten und ein Drittel der landwirtschaftlicher Produktion dadurch beeinflusst
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