Unnötiges Bienensterben verhindern

Binder, Bienenbrut
Foto Binder, Brut ohne Bienen

Das Imkern boomt auf dem Land und in Städten. Imkern scheint so einfach zu sein, dass Bienenkisten sogar an Laien vermietet werden. Imkermeister Jürgen Binder sieht das kritisch. Im Gespräch mit Ruth Auschra erklärt er, warum er eine Imkerschule gegründet hat und wie sich unnötiges Bienensterben vermeiden lässt.

 

Herr Binder, warum braucht es eine Schule, um das Imkern zu lernen?

Binder: Jeder Imkerverein bildet Imker aus, das heißt, jedes Jahr werden in Deutschland viele Anfängerkurse angeboten. Das Niveau dieser Kurse ist höchst unterschiedlich. Wissen Sie, dass uns Deutschen die Imker in Italien haushoch überlegen sind?

 

Nein, das wusste ich nicht. Woran liegt das?

Binder: In Italien gibt es Berufsimker, in Deutschland gibt es – provozierend ausgedrückt – die Imker-Berufsschule in Celle. Anders gesagt: Bei uns gibt es viele tausend Hobbyimker und sehr wenige Imker, die ihr Handwerk als Beruf ausüben. Hunderttausende Bienenvölker sterben auch deshalb, weil die Imker schlecht geschult sind. Sie sterben allerdings auch an einer viel zu hohen Pestizidbelastung in unserer Landwirtschaft. Was ich sagen will: Es geht so nicht weiter mit dem Bildungsniveau der Imker bei uns. Ich habe dieses ganze Schlamassel ja selbst miterlebt und mitgemacht. Ich habe selbst die ganzen Fehler gemacht, die noch heute gelehrt werden und war genauso inkompetent wie es viele Imker heute noch sind. Ich weiß, auf welchem Niveau ausgebildet wird. Früher bekam ich 30 kg Honig pro Jahr von einem Volk. Heute mache ich einige Fehler nicht mehr, habe gesunde Bienenvölker und bekomme pro Volk und Jahr auch schon mal 80 kg Honig.

 

Ok, was haben Sie geändert?

Binder: Ich erkläre Ihnen zwei typische Fehler, die oft gemacht werden, weil diese Dinge falsch gelehrt werden. Auch an Universitäten und Bieneninstituten übrigens. Also erstens ist meistens der Brutraum zu groß und zweitens wird die Einfütterung im Herbst oft falsch durchgeführt. Fangen wir mit dem Brutraum an. Seine Größe muss der Legeleistung der Königin angepasst sein. In Deutschland haben viele Bienenvölker bildlich gesprochen Lungenentzündung. Sie sind unterkühlt, weil ihr Brutraum zu groß ist. Dadurch ist er sowieso schon zu kalt, dann kommen noch die nach unten offenen Beuten hinzu. Würden Sie sich in einer Wohnung mit Kamin wohl fühlen, wenn ein Luftzug herrscht, weil gleichzeitig ein Fenster dauernd offen ist?

 

Und daran sterben die Bienen?

Binder: Nicht unbedingt sofort. Wenn Sie einen Hund schlecht pflegen, also ihn zum Beispiel nie entwurmen, dann stirbt der auch nicht sofort. Aber man sieht ihm an, dass es ihm nicht gut geht. Das Imkern mit dem einräumigen, angepassten Brutraum ist erfolgreicher, weil es die Bienengesundheit verbessert. Sehen Sie, ich will vermitteln, dass Tiere dann leistungsfähig und gesund sind, wenn wir sie gut behandeln. Ein Bienenvolk kann sich nicht wehren, es lässt alles mit sich machen, bis es irgendwann verreckt. Wir pflegen unsere Bienen, damit es ihnen gut geht. Das wusste schon Prof. Ludwig Armbruster, nach dem die Imkerschule benannt ist, ein Zoologe und hervorragender Bienenkenner, der unter den Nazis wegen seiner Beziehungen zu jüdischen Wissenschaftlern seinen Lehrstuhl verlor.

 

Aha. Die Imker stellen den Bienen also zu große Bruträume zur Verfügung. Größer als die Höhlen, die sich wilde Bienen in Bäumen suchen würden?

Binder: Nein, Sie können doch nicht unterstellen, dass in der Natur alles optimal ist. Aber die Bienen, die den besseren Brutplatz finden, überleben besser und länger. Bienen brauchen eine gleichmäßige Wärme, ein guter Platz ist also trocken und windstill.

 

Fehler Nummer 2 war die Einfütterung im Herbst…

Binder: Ja, da muss ich etwas ausholen. Sie kennen die Varroa-Milbe? Im Juli, zum Ende der Trachtzeit, ist der Milbenbefall hoch. Bienen, die mit dem Parasiten befallen sind, leben nur noch 2-3 Wochen. Ich muss also davon ausgehen, dass zu dieser Zeit bald deutlich weniger Bienen in den Beuten sein werden. Nach der Sommersonnenwende nimmt die Brut der Bienen grundsätzlich ab. Durch die Fütterung soll die Brut angeregt werden. Es ist also – überspitzt ausgedrückt – ein naturwidriges Verhalten, die Brut in dieser Jahreszeit anzuregen. Aber die von einem Bieneninstitut aus Asien eingeschleppte Milbe bedroht die Bienenvölker so sehr, dass wir gezielt heilend eingreifen müssen. Die Bienen sollen im August und September brüten, um den Verlust aufzufangen, den die Milben verursacht haben. Richtig ist folgende Art der Fütterung: oft, wenig und dünn. Das heißt, man muss mindestens acht Mal füttern, jedes Mal höchstens 5l und die Zuckerlösung muss dünnflüssig sein, 700 g Zucker auf 1l Wasser. Das widerspricht diametral dem, was gelehrt wird. Die so genannten Gelehrten sagen nämlich, man müsse ‚bienenschonend’ selten, dabei aber viel, und dickflüssig füttern.

 

Ich glaube, ich verstehe die Konsequenzen der Unterschiede nicht.

Binder: Mit der Fütterung simulieren wir einen Nektareintrag. Wenn kontinuierlich Nektar eingetragen wird, legt die Königin mehr Eier. Es ist ja dann genug Nahrung da, das Volk darf wachsen. Genau das wollen wir erreichen. Dann sind drei Wochen später mehr Bienen da und der Verlust durch Varroa ist abgefedert. Wichtig ist auch, dass zu Beginn der Fütterung radikal behandelt wird. Je radikaler, desto besser. Mit Thymol und Oxalsäure.

 

Ich dachte, Sie sind Bio-Imker und benutzen nur natürliche Stoffe wie Ameisensäure?

Binder: Ich bin Berufsimker und Bio-Imker, genau. Aber so etwas Schädliches wie Ameisensäure benutze ich schon lange nicht mehr. Ameisensäure wird als unschädlich betrachtet, ist es aber nicht. Diese Säure verätzt die Bienen. Ich habe selbst die Erfahrung gemacht, dass im Herbst und Winter mehr Tiere sterben, wenn man Ameisensäure einsetzt.

 

Sie kommen ziemlich viel rum in der Welt, glaube ich. Jedenfalls beschreiben Sie auf Ihrer Homepage auch italienische Imkereien und Sie bieten Imkerreisen an.

Binder: Genau. Da gibt es immer was Gutes zu essen (lacht). Nein, im Ernst, ich mache die reinen Studienreisen im Oktober und dann immer im Frühjahr die Kulturstudienreisen nach Italien. Da gibt es natürlich viele Imker, die wir besuchen. Am wichtigsten ist mir, dass man sich auch anschauen kann, was bei anderen Imkern wie läuft und was wir da lernen können. Aus Fehlern kann man lernen! Sehen Sie, das ist mir wirklich wichtig: Ich höre, dass diesen Winter schätzungsweise 40 Prozent der Bienenvölker eingegangen sind. Es ist in jedem Spätherbst dasselbe Theater. Das kann zwar auch in Italien der Fall sein, das ist nicht typisch deutsch oder so. Es ist nicht leicht, schlechte Bienenvölker über den Winter zu bringen. Viele meiner Lehrgangsteilnehmer kommen zu mir, weil sie verstanden haben, dass sie sich fortbilden sollten. Und ich freue mich, wenn wir in Imkereien eingeladen werden, wo wir zuschauen dürfen und uns ein Urteil bilden können. Das ist der Hintergrund meiner Imkerreisen, vom guten Essen mal ganz abgesehen. Gutes Imkern ist übrigens nicht nur besser für die Tiere, sondern auch für die Imker.

 

Inwiefern?

Binder: Einem Berufsimker entstehen schnell mehrere Hunderttausend Euro Schaden, wenn man die Bienen schlecht pflegt. Wir sind ja Landwirte, wir haben Ausgaben für die Imkerei. Bei einem Umsatz von 150.000 Euro haben wir vielleicht einen Gewinn von 10-20 Prozent. Wer Fehler macht und statt 80 kg Honig pro Volk nur 40 kg erntet, der verhungert zwar nicht gleich. Aber solche finanzielle Einbußen bemerkt man, oder? Solche Erfahrungen tun weh, sind unnötig – auch so ein Grund, warum ich eine Imkerschule habe. So kann ich anderen helfen, Fehler zu vermeiden. Leider haben die jungen Absolventen der Berufsschule in Celle noch nichts von den Vorteilen eines Angepassten Brutraumes gehört. Für viele von ihnen wird das in den nächsten Jahren eine teure Lebenserfahrung, wenn sie mit ihrer vermeintlich guten Ausbildung Betriebe aufzubauen versuchen. Aber sie können ja nichts dafür. Schuld sind die Ausbilder, die sich nicht weiterbilden. Aber vor allem ist es doch so: In Deutschland gibt es eine Million Bienenvölker, gut wären drei Millionen. Unsere Bienen haben durch Gifte und Monokulturen und so weiter so viele Probleme, da müssen nicht noch Fehler von den Imkern dazu kommen.

 

Ich wünsche Ihnen viel Erfolg. Und danke für das interessante Gespräch!

 

Foto: So sieht eine gesunde Brutwabe aus! (Quelle: Binder)

3 Kommentare

  1. Hallo Herr Binder,

    mehrfach wurde sie Frage gestellt, was der angepasste Brutraum gegen das Bienensterben eigentlich bewirken kann. Könnten sie bitte in einer kurzen Beschreibung dies -vielleicht stichpounktartig -nochmal zusammenfassen?

    Viele Grüße
    Andreas Kappl

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