Was tun beim Verdacht auf Bienenvergiftung?

Bienensterben, Vorgehen
Vorgehen bei Bienensterben

Jens Pistorius ist im Julius Kühn-Institut, dem Institut für Pflanzenschutz in Ackerbau und Grünland in Braunschweig, zuständig für die Untersuchungsstelle für Bienenvergiftungen. Ruth Auschra interviewte den Imker zum Thema Bienensterben.

Herr Pistorius, damit Sie in der Untersuchungsstelle für Bienenvergiftungen abklären können, ob ein Bienensterben durch Pflanzenschutzmittel verursacht wurde, muss ein Imker tote Bienen vor seinem Bienenstock finden und einschicken, oder? Was kann man tun, wenn die Bienen einfach nicht mehr da sind oder irgendwie krank wirken?

Pistorius: Wenn sie nicht zurückkommen, kann man nichts einsammeln, genau. Wenn die Bienen einfach nicht mehr da sind, zum Beispiel im Herbst, Winter oder Frühjahr, dann deutet das erst mal eher auf Bienenkrankheiten hin. Bei Bienenvergiftungen sind in aller Regel tote Bienen vor oder in der Beute zu finden. Wenn keine Bienen mehr da sind, kann in vielen Fällen eine Untersuchung beispielsweise der Waben Aufschluss bringen. Hier können die Bieneninstitute, Bienenzuchtberater oder Seuchensachverständigen der Imkervereine helfen, mögliche Ursachen aufzuklären oder einzugrenzen. Bei Vergiftungen durch Pflanzenschutzmittel ist es meist so, dass der Schaden sehr plötzlich auftritt und Imker dann meist ein Gemisch vorfinden von schon toten Bienen und solchen, die noch zucken. Klassische Symptome einer Vergiftung sind deutlich erhöhter Totenfall und zitternde, krampfende, erbrechende Bienen. Wenn ein Verdacht auf Vergiftung nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, kann man uns Probenmaterial zur Untersuchung einschicken.

Was, wenn die Bienen einfach nicht nach Hause kommen? Solche Vergiftungsfälle werden dann doch gar nicht erfasst?

Pistorius: Das ist richtig, solche Fälle werden nicht erfasst. Allerdings gibt es jedes Jahr nur einzelne solcher Meldungen. Ob es sich dabei um Vergiftungen handelt – ohne Proben können wir das natürlich nicht analysieren und auch keine abschließenden, sicheren Schlussfolgerungen erstellen. Aus Zulassungsversuchen und auch aus der Literatur gibt es jedoch keine Hinweise, dass es Situationen gibt, bei denen einfach keine Bienen mehr nach Hause kommt. Für eine Änderung der Volksstärke in der Saison sind manchmal auch Ursachen auf der imkerlichen Seite denkbar, die für den berühmten „Bienenknick“, also eine Verringerung der Volksgröße durch eine geringere Anzahl an adulten Bienen sorgen. Ein Verlust von Flugbienen kann zum Beispiel entstehen, wenn das Brutnest verhonigt; 40 Tage nach dem Brutknick kommt dann der Bienenknick. Dieses Phänomen kann durchaus manchmal fehlinterpretiert werden. Man wird in der Regel tote Bienen am Stock finden, wenn ein Feld mit bienenschädigenden Insektiziden behandelt wurde. Wenn zum Beispiel ein Rapsfeld während eines Bienenfluges mit einem bienengefährlichen Mittel behandelt wird, dann kann es zwar sein, dass ein großer Teil der Bienen direkt auf dem Feld stirbt. Aber es wird andere Bienen geben, die auf dem Feld weniger abbekommen haben oder die später geflogen sind. Dann wären einige Bienen tot und nicht aufzufinden, andere würden aber zunächst zurückkommen und doch zuhause sterben, so dass Probenmaterial sammelbar sein müsste.

Ok. Der Imker findet also tote Bienen und hat dann laut Merkblatt die Aufgabe, mindestens 1000 tote Bienen zu finden.

Pistorius: Wir versuchen, auch mit weniger klarzukommen. Oft werden uns auch deutlich geringere Mengen geschickt. Aber mehr Material erleichtert uns die Arbeit und ermöglicht es uns, mehr verschiedene Analysen durchzuführen. Wir können mit 100g Bienen all das tun, was möglich ist, einschließlich Rückstellproben. Die können Jahre später bei einem Gerichtsfall wichtig sein. Deshalb sind mindestens 100g unsere Wunschvorstellung.

Sie schreiben, dass kein Schimmel enthalten sein soll. Warum?

Pistorius: Hintergrund ist, dass wir möglichst frisch gestorbene Bienen haben wollen. Das ist praktisch manchmal schwierig, wenn der Imker vielleicht nur alle zwei Wochen zur Kontrolle da ist und dann erhöhten Totenfall vorfindet. Aber es ist schade, weil Verwesungsprozesse die Untersuchungsergebnisse beeinflussen und mikrobielle Prozesse auch den Wirkstoffabbau beschleunigen können. Es tut mir Leid, wenn ich das so sagen muss, aber bei unsachgemäßer Lagerung – luftdicht verschlossen, noch ein paar Tage im warmen Auto gelagert – bekommen wir manchmal nur noch einen schleimigen, stinkenden Brei, den man manchmal nicht einmal mehr sicher als Bienen identifizieren kann. In solchen Fällen ist dann eine Ursachenklärung kaum noch möglich. Gute Proben liefern verlässliche Aussagen, das ist der Hintergrund zum Thema „Schimmel vermeiden wo möglich“.

Warum soll der Imker Handschuhe tragen, sie wechseln und sich die Hände waschen, wenn er Proben genommen hat?

Pistorius: Pflanzen können zum Beispiel direkt nach der Behandlung sehr viel Wirkstoff enthalten. Uns geht es auch darum, den so genannten Fingerabdruck der Wirkstoffe zu identifizieren, um die schadensverursachende Fläche eindeutig identifizieren zu können. Auf dem einen Kartoffelacker wurde vielleicht nur ein Wirkstoff angewandt, auf dem anderen wurden zusätzlich mehrere andere eingesetzt. Was findet man auf der Biene wieder? Einen oder mehrere Wirkstoffe? Und in welchem Verhältnis? Wenn die Proben sorgfältig getrennt werden, lässt sich ein Fingerabdruck erstellen, mit dem wir das Feld lokalisieren können, von dem der Schaden stammt. Eine Wirkstoffübertragung zwischen Proben muss daher unbedingt vermieden werden!

Wenn der Imker den Verdacht hat, welche Äcker die Ursache sind, sollte er also verschiedene Pflanzenproben nehmen und sich zwischendurch die Hände waschen?

Pistorius: Der Imker sollte das nicht selbst machen. Er darf nicht einfach auf fremden Grundstücken Pflanzen entfernen, dafür könnte er sogar verklagt werden. Und die Proben wären nicht gerichtsfest, wenn er sie selbst nimmt. Das heißt, er könnte vor Gericht mit selbst genommenen Proben keinen Landwirt haftbar machen, selbst wenn die Ergebnisse eindeutig wären. Für Gerichtsverfahren zählen nur amtlich genommene Pflanzenproben.

Er muss also tatsächlich zur Polizei gehen?

Pistorius: Nein, er muss nicht zur Polizei, die Pflanzenschutzdienste der Länder haben diese Aufgabe übernommen, freiwillig allerdings. Sie unterstützen die Arbeit der Imker in solchen Fällen und sie dürfen auch die Spritzenbücher der Landwirte einsehen. Also am besten beim Schaden gleich den Pflanzenschutzdienst benachrichtigen. Das läuft in sehr vielen Fällen sehr gut. Manchmal – sagen wir mal: zum Beispiel am Freitagnachmittag – klappt es vielleicht auch nicht immer so gut. Dann könnte man als Imker auch die Polizei rufen. Auf unserer Internetseite Bienen.jki.bund.fr  sind die Ansprechpartner der Pflanzenschutzdienste in verschiedenen Bundesländern aufgeführt.

Was passiert bei Ihnen? Und kostet das Einsenden der Proben eigentlich Geld?

Pistorius: Für den Imker sind alle Untersuchung kostenfrei. Wir schauen uns alles an, was uns zur Verfügung gestellt wird, suchen nach Anzeichen für Bienenkrankheiten, Virusinfektionen oder Parasiten, beispielsweise Varroa-Milben, verkrüppelten Flügeln oder auch Nosema-Sporen. Es kommt eben auch immer wieder vor, dass wir Proben bekommen, bei denen die Bienenvölker eindeutig durch Krankheiten oder Viren geschädigt waren und kein Zusammenhang mit Pflanzenschutz herstellbar ist. Wir schauen uns die Pollen an, die im Haarkleid der Bienen hängen, um herauszufinden, an welchen Pflanzen die Bienen vor der Vergiftung zuletzt gesammelt haben. Wir bestimmen mit einem Biotest mit Larven der Gelbfieber-Mücke Aedes aegypti L., ob möglichweise Giftstoffe in den Proben vorhanden sind. Dieser kann auch durch für Bienen nicht toxische Wirkstoffe positiv ausfallen, aber beispielsweise auch bei Fäulnis der Bienen oder beginnendem Verwesungsprozess. Wenn der Verdacht auf Vergiftung durch Pflanzenschutzmittel nicht sicher ausgeschlossen werden kann, werden umfangreiche chemische Untersuchungen durchgeführt und auf Rückstände von Pflanzenschutzmitteln und Biozide untersucht, um zu klären, ob Pflanzenschutzmittel- oder Biozidwirkstoffe am Bienenschaden beteiligt sein oder ursächlich sein könnten.

Können Sie einen Zusammenhang festmachen zwischen den gefundenen Pollen und der Häufigkeit von Sterbefällen?

Pistorius: Bestimmte Kulturen sind immer wieder auffällig. Zwei Drittel der Rapsfelder werden während der Blüte mit Insektiziden behandelt, wir bekommen aber jährlich nur etwa 30 Schadensfälle in dem Zeitraum der Rapsblüte eingeschickt, also Einsendungen, die etwas mit Raps zu tun haben könnten. Natürlich gibt es zeitgleich im Frühjahr die Schadfälle, die mit Fehlbehandlungen von Obstbäumen zu tun haben und im Juni, wenn der Spargel blüht, kommen die Spargelschäden, da oft Landwirte und auch Imker blühenden Spargel nicht als Trachtpflanze erkennen. Im Sommer gibt es vereinzelte Schäden durch Fehlanwendungen in Ackerbohnen oder auch Kartoffeln. Hier gibt es Schadfälle, bei denen allein anhand der Pollenanalyse die Schadensherkunft mit sehr hoher Sicherheit festgestellt werden kann. Das sind dann in der Regel typische Fehlanwendungen der Landwirte. Rapsschäden sind etwas schwieriger, weil da meistens Pollen verschiedener Pflanzen gleichzeitig da sind.

Wie häufig sind Bienenschäden generell? Werden es mehr?

Pistorius: Die Untersuchungen auf Bienenvergiftungen durch Pflanzenschutzmittel werden seit 1960 gemacht. Im langjährigen Trend haben die Bienenvergiftungen auf jeden Fall abgenommen. Das Niveau in den letzten Jahren ist gleichbleibend, bis auf einzelne Jahre mit erhöhtem Schadfallaufkommen, wie 2003 und 2008. Wir bekommen in normalen Jahren etwa 100-150 Einsendungen pro Jahr und wir können bei etwa 30-50 Prozent der Einsendungen eine Vergiftung durch Pflanzenschutzmittel nicht ausschließen oder mit Sicherheit feststellen. In Jahren mit erhöhtem Schadfallzahlen kann dieser Anteil auch deutlich höher ausfallen. Wir haben aber auch andere Schadfälle, bei denen alle Indizien deutlich auf andere Schadursachen, z.B. Bienenkrankheiten deuten. In manchen Fällen sind auch in solchen Proben Spuren von für Bienen nicht toxischen Wirkstoffen enthalten. In solchen Fällen ist es manchmal auch nicht ganz leicht, dem Imker zu erklären, dass seine Bienen ein anderes Problem hatten und Spritzmittel oder andere Pflanzenschutzmittel nicht schuld sind.

Vielen Dank für das Gespräch!

Foto: Bei dieser Einsendung wurde alles richtig gemacht: 1) der ausgefüllte Antrag 2) eine gute Menge an toten Bienen in einer Pappschachtel 3) Pflanzenproben, getrennt und gut verpackt (Foto: Julius Kühn-Institut)

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