Imkern gegen die Armut

Imkerei auf Java
Imkerei auf Java

Horst Rosewich hat einen ungewöhnlichen beruflichen Hintergrund. Er hat Schriftsetzer gelernt, war bei der Polizei, hat Ethnologie studiert und ist Imkermeister. Als Ethnologe hat er sich u.a. mit der Kultur der Bienenhaltung auf Java/Indonesien beschäftigt. Er erklärt Ruth Auschra, warum er die Bienenhaltung dort als Chance sieht.

Herr Rosewich, gibt es in Indonesien die gleichen Bienen wie hier?

Rosewich: Teilweise. Die Bienenpopulationen dort sind vielfältiger. Unsere europäische Honigbiene ist die Apis mellifera. Die gibt es auf Java zwar auch, aber erst, seit sie im 19. Jahrhundert von den Holländern eingeführt wurde. Heimisch auf Java sind vor allem drei Honigbienen: Die Östliche Honigbiene Apis cerana, die Riesenhonigbiene Apis dorsata und die Zwerghonigbiene Apis florea.

 

Und welche Bienen nutzen die Imker auf Java?

Imkerei Java
Bild Rosewich, Imkerei auf Java

Rosewich: Das kommt darauf an. Große Imkereien züchten die Apis mellifera. Ich habe aber viel mit Menschen zu tun gehabt, die mit der dort weit verbreiteten heimischen Honigbiene, der Apis cerana, gearbeitet haben. Diese Bienen leben auf Java auch wild in natürlichen Höhlungen. Wer diese Bienen halten will, geht meistens so vor: Man höhlt einen Baumstamm aus, oft ist das ein Stück Bambus von vielleicht 1m Länge. An der Stirnseite dieser Beute lässt man ein Stück offen, das ist das Einflugloch. Dann hängt man den Baumstamm außen am Haus unter das Dach, unter den Dachtrauf, würde man hier in Baden sagen. Um den Honig zu ernten, muss man die fest in dieser Beute angebauten Waben abstoßen. Hierbei kann das Bienenvolk aber beschädigt oder gar zerstört werden.

 

Oh…

Rosewich: Ja, so sieht dort die traditionelle Bienenhaltung aus. Man hängt einen Stamm auf und presst die Waben aus, wenn man den Honig erntet. Das ist vielleicht nicht immer sonderlich hygienisch, aber der Honig ist ganz ordentlich. Die Bienen dort sind mit unseren nicht zu vergleichen. Diese östlichen Honigbienen wandern, sie sind vom Verhalten her den Zugvögeln ähnlich. Sie kommen, wenn die Blütezeit beginnt und ziehen weiter, wenn die Trachtquellen versiegen, sie schwärmen also ab. Die hohlen Baumstämme werden vor allem von armen Menschen eingesetzt. Manche Imker hängen an Stelle eines Baumstamms auch einfache Bretterkistchen auf. Die Cerana-Völker gehen gerne in diese Kisten. Sie haben im Innern Rähmchen-Oberträger, sind aber nur etwa halb so groß wie bei uns eine Zarge. Diese Behausungen haben den Vorteil, dass die Völker überleben, wenn man Honig erntet, da man die Waben an den Oberträgern einzeln entnehmen kann und so das Cerana-Volk bei der Honig-Entnahme geschont wird.

 

Imkerei in Indonesien
Bienenvölker in Kaffeeplantage

Wie viel Honig wird denn geerntet?

Rosewich: Die Cerana Völker sind relativ klein, die Ausbeute liegt entsprechend nur bei 2-5kg pro Saison. Der Honig ist wegen der hohen Luftfeuchtigkeit übrigens viel flüssiger als bei uns. Der Wassergehalt liegt nach meiner Schätzung meist höher als 25 Prozent. Bei uns beträgt die Obergrenze 20, beim Deutschen Imkerbund sogar nur 18 Prozent. Im Indonesischen wird auch nicht der Begriff „essen“ für Honig benutzt, sondern man spricht davon, Honig zu trinken.

 

Lohnt sich diese Art der Imkerei?

Rosewich: Sie müssen die Vorteile sehen. Diese Bienen sind bestens angepasst. Sie sind vor allem krankheitsresistent. Die Varroamilben können diesen Bienenvölkern nichts anhaben. Ursprünglich stammen die Varroamilben von den Cerana-Bienen und wurden nach Europa eingeschleppt. Die Verdeckelungsdauer der Brut ist bei der Cerana kürzer, sodass sich die Milben nur in der Drohnenbrut vermehren können. In der Arbeiterinnenbrut richten sie deshalb so gut wie keinen Schaden an. Die europäische Honigbiene wurde von den Holländern in Indonesien eingeführt und die Imker hatten anfangs riesige Verluste, die Völker waren schnell eingegangen. Also mussten sie wie bei uns mit Tierarzneimitteln gegen die Milben vorgehen. Andererseits geben diese Mellifera-Völker bis zu 50kg Honig! Die Varroa-Behandlung ist eher noch schwieriger als in Europa, da die Bienen kaum aus der Brut gehen. Trotzdem gibt es auf Java auch große Imkereien. Ich habe eine besucht, die über 700 Mellifera-Völker hatte!

 

Aber das ist dann mit Kosten verbunden…

Rosewich: Genau. Und man muss einfach daran erinnern, dass zum Teil die Menschen wirklich in gravierender Armut leben. Eine große Chance für die ärmere Bevölkerung sehe ich darin, dass man zwischen drei und zehn Cerana-Völker hält, entweder in Baumstämmen oder in einfachen und billigen Holzkisten. Dadurch ließe sich die Ernährungssituation spürbar verbessern. Notwendig wäre dafür nur etwas Schulung, kein Kapital, wie es für die westliche Imkerei nötig ist. Es reicht ja, vereinfacht gesagt, wenn man Behausungen aufhängt und erntet. Dadurch könnte die Ernährung durch das hochwertige Nahrungsmittel Honig ergänzt werden.

 

Inwiefern?

Rosewich: Honig ist bei uns Nahrung, auf Java aber auch Medizin. Die Menschen dort sind ja überwiegend Muslime. Im Koran wird der Honig als Medizin bezeichnet. Auch Bienengift spielt auf Java eine viel größere Rolle als bei uns. Ärzte oder Heilpraktiker wenden dort eine Art Akupunktur mit Bienen an. Ich habe mir das mehrfach angeschaut. Der Arzt hat einen kleinen Bienenkasten mit Bienenwabe in seinem Sprechzimmer. Er nimmt eine Biene mit der Pinzette heraus und setzt sie an dem Patienten zum Stechen an, genau da, wo er es für notwendig hält. Die Kranken bekommen drei bis fünf Bienenstiche zur Akupunktur, das gilt als sehr heilsam. Übrigens haben die Menschen dort vor Imkern eine hohe Achtung. Ich habe auf Java ein Forschungsprojekt durchgeführt, um herauszufinden, wie Imker und Bienenprodukte auf Java gesehen werden. Die Konnotation war sehr positiv, Imker sind hoch angesehen. Und noch etwas. Ich habe mir die Insel ja mit den Augen eines Ethnologen angesehen. Die Menschen dort erschienen mir überwiegend sehr sanft. Sie sind im Durchschnitt kleiner und schmaler als die Europäer und selten aggressiv, trotz der exorbitant hohen Bevölkerungsdichte auf Java. Ich habe die Einheimischen als ruhig, sehr geduldig und überhaupt nicht hektisch kennengelernt. In der indonesischen Sprache hat man den Begriff „jam karet“,

Gummi-Zeit, was bedeutet, Zeit ist ein sehr relativer und dehnbarer Begriff. Entsprechend gelassen spielt sich dort das Alltagsleben ab, auch bei den Imkerinnen und Imkern.

 

Vielen Dank für das Gespräch!

 

 

Fotos:

Typische Landschaft auf Java/Indonesien (Quelle: Horst Rosewich)

Apis cerana Bienenvolk in traditioneller Beute (Quelle: Horst Rosewich)

Apis mellifera Bienenvolk gefunden in einer Kaffeeplantage (Quelle: Horst Rosewich)

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